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Handbuch: 4.1. Prozessoptimierung

Zweck des maschinellen Lernens ist es, von einer Anlage eine mathematische Darstellung zu entwickeln, bei der die Messdaten des Prozessleitsystems genutzt werden. Diese Darstellung muss notwendigerweise den extrem wichtigen Zeitfaktor berücksichtigen, denn die Anlage enthält komplexe Ursache-Wirkungs-Verhältnisse, die von einem Modell dargestellt werden müssen. Und diese vollziehen sich über unterschiedliche Zeitskalen. Das heißt, dass die Zeit zwischen Ursache und Wirkung manchmal Sekunden dauert, manchmal Stunden und manchmal Tage. Die Modellierungseffekte der verschiedenen Zeitskalen stellen eine komplizierte Eigenschaft der Daten dar.

Das Modell sollte so gestaltet sein, dass wir den Zustand der Anlage zu einem zukünftigen Zeitpunkt aufgrund des Zustandes der Anlage in der Vergangenheit und in der Gegenwart berechnen können. Diese Art von Modell kann dann zyklisch betrieben werden, so dass wir den Zustand für jeden Zeitpunkt in der Zukunft berechnen können.

Der Zustand der Anlage besteht aus den gesammelten Daten der Tags, die für den Betrieb der Anlage wichtig sind. Typischerweise gibt es mehrere tausend Tags in und an der Anlage, die wichtig sind. Diese Tags fallen in drei Kategorien. Da sind zum einen die Randbedingungen. Das sind die Tags, über welche die Anlagenfahrer keine Kontrolle haben. Beispiele dafür sind das Wetter oder die Qualität der Rohmaterialien. Zum andern haben wir die Sollwerte. Das sind die Tags, die von den Anlagenfahrer im Leitsystem direkt eingestellt werden können und die die Funktionsfähigkeit der Anlage bestimmen. Drittens haben wir die Istwerte. Das sind alle anderen Messungen, die von den Bedienern beeinflusst werden können (da sie keine Randbedingungen sind), wenngleich nicht direkt (es sind keine Sollwerte), da sie sich aufgrund der Interdependenz der Anlage selbst verändern, je nachdem, wie sich die äußeren Randbedingungen und Sollwerte mit der Zeit verändern. Ein typisches Beispiel hierfür ist eine Schwingungsmessung. – Alle diese Daten werden vom maschinellen Lernen dazu verwendet, vom gesamten Anlagenprozess ein Modell zu erstellen.

Ist das Modell erst einmal erstellt, wollen wir es freilich dazu benutzen, die Leistung der Anlage zu optimieren. Hierfür benötigen wir eine genaue Definition von "Leistung". Das könnte irgendein numerisches Konzept sein. Manchmal ist es eine physikalische Größe wie die Abgabe von Schadstoffen (z.B. NOX, SOX) oder eine Ingenieursquantität wie der Gesamtwirkungsgrad der ganzen Anlage, oder eine geschäftliche Quantität wie die Wirtschaftlichkeit. Wir können diese Leistungswerte auf der Grundlage des Zustands der Anlage für jeden möglichen Zeitpunkt berechnen.

Nun haben wir eine genau definierte Optimierungsaufgabe: Finde diejenigen Sollwerte heraus, die eine maximale Leistung ermöglichen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Randbedingungen so sind, wie sie sind. Zusätzlich zu den natürlichen Randbedingungen (wir können das Wetter nicht ändern) könnte es noch weitere Randbedingungen geben, die etwa mit Sicherheitsvorschriften oder anderen Prozessbegrenzungen zu tun haben.

Das ist ein komplexes, in höchstem Maße nicht-lineares, multidimensionales und vielfältigen Bedingungen unterworfenes Optimierungsproblem, das wir mit Hilfe des Simulated Annealing lösen. Das Wesen dieser Aufgabe erfordert eine sogenannte heuristische Optimierungsmethode, da eine exakte Lösung der Aufgabe viel zu komplex wäre. Das sogenannte Simulated Annealing enthält einige einzigartige Eigenschaften. Es konvergiert zum globalen Optimum und kann auch in begrenzter Zeit eine sinnvolle Lösung anbieten.

Bei der realpraktischen Vorgehensweise messen wir in regelmäßigen Abständen (etwa einmal pro Minute) den Zustand der Anlage, indem wir die Messwerte vom OPC-Server abrufen, dann das Modell entsprechend aktualisieren, den optimalen Messwert herausfinden und schließlich einen Bericht darüber erstellen, welche Sollwerte neu eingestellt werden müssen. Das kann als offene Schleife (open-loop) angeboten werden, damit die Anlagenfahrer die empfohlene Aktion von Hand eingeben, oder besser noch: als geschlossene Schleife (closed-loop), wobei die Justierung direkt vom Leitsystem vorgenommen wird. Sobald eine Veränderung einsetzt, etwa das Wetter, werden die notwendigen Justierungen berechnet und entsprechend berichtigt. Auf diese Weise kann die Anlage jederzeit mit den für eine optimale Leistung notwendigen Sollwerten gefahren werden.

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